Sprachmanipulation mit Provokation und Kopftuch

Ein Merkmal der Sprache des Nationalsozialismus ist laut Wikipedia:

Wertfreie technische und sachliche Ausdrücke dienten oft als Euphemismus, um Mordpläne und grausame Taten zu verdecken und zu verharmlosen: z. B. „Endlösung der Judenfrage“ statt „Ermordung aller Juden Europas“.

In der letzten Zeit tauchen zwei Begriffe sehr häufig in den Medien auf: Kopftuchmädchen und Provokateur.

Kopftuchmädchen

Zunächst kann man das Wort ganz wertfrei verstehen: Mädchen mit Kopftüchern, zwar eine Verallgemeinerung, weil man nicht jedes einzelne Mädchen und ihr Schicksal nennt, aber noch nicht direkt rassistisch. In selber Art und Weise könnte man die Schotten z.B. als Kiltjungs bezeichnen.

Das Wort könnte man sogar mit positiver Assozation benutzen. Man stelle sich eine Gruppe von wie-auch-immer-stämmigen Jungs vor, die auf eine Gruppe von Kopftuchmädchen trifft, und einer der Jungs sagt zu den anderen: Hey, schaut euch mal die süßen Kopftuchmädels an. Denn: Weniger Haut zeigen kann schließlich manchmal auch mehr sein.

Warum löst das Wort aber dann einen solchen Sturm der Entrüstung aus? Weil offensichtlich in unserem Land mit dem Kopftuch eine ganze Menge Dinge assoziiert sind, die, ohne dass man sich dessen bewusst ist, sofort hochkommen, sobald man „Kopftuchmädchen“ hört. Selbst wenn Herr Sarrazin bewusst diese Assoziationen in seinem Sprachgebrauch einkalkuliert hat, ändert es nichts daran, dass anscheinend die Assoziationen mit „Kopftuch“ in weiten Teilen der Bevölkerung hauptsächlich negativ sind. Das mag ein Ergebnis eines unfruchtbaren Diskurses sein, ist auf jeden Fall aber nicht von der Hand zu weisen. Schon alleine das gibt Herrn Sarrazin ausreichend Recht, ein Buch darüber zu schreiben.

Wie genau Herr Sarrazin dieses Wort aber gemeint hat, kann man nicht herausfinden. Vielleicht war es nur unbewusster Ausdruck seiner Emotionalität, vielleicht war es gar nicht so negativ gemeint, vielleicht ist es aber auch gezielt manipulierend, demagogisch eingesetzt worden. Darüber kann man nur spekulieren, es lenkt aber ungemein von dem eigentlichen Problem ab:

Warum sind alle Kopftücher in Deutschland rot?

Provokateur

Provokation laut Wikipedia:

Provokation (v. lat. provocare ‚hervorrufen‘, ‚herausfordern‘) bezeichnet das gezielte Hervorrufen eines Verhaltens oder einer Reaktion bei anderen Personen. Hierbei agiert der Provokateur bewusst oder unbewusst in einer Weise, dass die provozierte Person oder Personengruppe ein tendenziell erwünschtes Verhalten zeigt.

Diese Definition finde ich sehr schön: Weder wird etwas über die Bewusstheit oder Unbewusstheit des Provokateurs ausgesagt, noch wird bewertet, ob Provokation gut oder schlecht ist.

Wenn Herr Sarrazin ein Provokateur wäre, müsste er entweder Masochist sein (sich wünschen, dass ganz Elite-Deutschland auf ihm herumtritt), oder aber ein sehr schlechter Provokateur sein, weil er sein gewünschtes Ziel, die Anregung einer sachlichen Debatte, zumindest vordergründig nicht erreicht.

Interessant aber auch die Assoziationen: Das Wort Provokateur wird verwendet, um Herrn Sarrazin zu delegitimieren und zu diskredetieren. Das hängt ganz eng mit politischer Korrektheit zusammen: Etwas zu sagen, was politisch gesehen unerwünschte Effekte haben kann, darf nicht gesagt werden. Wenn sich jemand von meinen Worten angegriffen fühlen könnte (unabhängig davon, ob ich denjenigen tatsächlich angreifen wollte), darf ich sie nicht mehr sagen.

Ich darf so z.B. jemanden eigentlich nicht einfach als Mann ansprechen, weil ich nicht weiß, ob er sich auch tatsächlich als Mann empfindet, und ich ihn dadurch wegen seiner sexuellen Identität diskriminieren könnte. Von „Männern“ zu reden ist demnach auch eine diskriminierende Verallgemeinerung.

Ich wünschte mir durchaus, die Menschen würden sich im gegenseitigen Umgang mehr Respekt und Anerkennung zukommen lassen, aber die politische Korrektheit macht das nahezu unmöglich: Eine klare, deutliche Sprache (wie die von Herrn Sarrazin) ist unerwünscht, die Dinge müssen verklausuliert werden (Migranten, Deutscher mit Migrationshintergrund, deutsch-stämmige Deutsche …). Das führt lediglich dazu, dass die Sprache und damit das Denken und die Kommunikation, die einzigen Werkzeuge also, die wir haben, um Probleme zu lösen, ihre Kraft verlieren, genau das zu tun.

Beziehungsprobleme bei Paaren (oder politisch korrekt auch bei mehr als zwei Menschen) werden nicht dadurch gelöst, dass man darüber schweigt, sondern dass man darüber redet. Daher meine Provokation:

Wenn wir in unserer Sprache das klare Ansprechen von Problemen wegen politischer Korrektheit unmöglich machen, ist das das Ende der Kommunikation, der Meinungsfreiheit und damit unserer jetzigen Weltordnung. Als Mahnung in der Geschichte haben wir die Sprache des Nationalsozialismus, die unschöne Dinge weniger unschön ausgedrückt hat, und damit eine Form der politischen Korrektheit angewendet hat.

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2 Kommentare zu Sprachmanipulation mit Provokation und Kopftuch

  1. normanno sagt:

    Was Herr Sarrazin auch immer ist – er verteidigt es und stellt sich dem…
    Das hier solltest Du Dir auch ansehen:

    http://www.wdr.de/tv/hartaberfair/sendungen/2010/20100901.php5?akt=1

    Und: er ist nicht emotionslos… ich verweise nochmals auf die Gesichtslähmung… würde er jetzt offen lächeln oder anderweitig über das Gesicht Emotionen ausdrücken, würde es ihm zur „schiefen Fratze“ geraten, die ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch noch als Hohn oder höhnische Ausdrucksweise zur Last gelegt werden!!!
    Ich weiß, wovon ich spreche – da familiär in der Verwandtschaft ein solcher Fall gegeben ist.
    Es ist immer noch besser Emotionsarmut, als Hohn vorgeworfen zu bekommen.

    Du bekommst vielleicht auch eine erhellende Aussage zu den vom ihm zitierten 50 – 80 % Intelligenz, die er so stoisch immer wieder zitiert – von eben der Coryphäe, deren Namen er in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt!

    Das meinte Yogeshwar mit der „Arena“ in der er sich bewegt… das würde umgekehrt auf einen Arzt, der sich sein Wissen über Banker irgendwo nu erlesen hat, ebenso zutreffen! 😉

    Toll, wie Du Dich damit auseinander setzt – aber irgendwie gibt es doch keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse… da wird ein Finger in eine Wunde gelegt, die allseits bekannt ist – nach dem verebben der Woge, hat Sarrazin etwas verdient, der Baum der Erkenntnis wächst trotzdem nicht davon…

  2. Immanuel sagt:

    @normanno: Ich habe Herrn Sarrazin überhaupt nicht Emotionslosigkeit angelastet. Ich habe ganz im Gegenteil gesagt, dass wenn man etwas genauer hinhört (und ihm nicht die Brechstange über den Kopf zieht), man seine Emotionalität deutlich wahrnehmen kann. Aber danke für den Hinweis bezüglich seiner Gesichtslähmung, so etwas ist für meine Wahrnehmung von Herrn Sarrazin sehr wichtig.

    Die Bedeutung von Sarrazin liegt in seinem Mut begründet, sich den brachialen Gewalten der politischen und medialen Welt zu stellen, wodurch deren undemokratische Eigenschaft zum Vorschein kommt: Die Bevölkerung steht bei allen Umfragen hinter Sarrazin, aber von den Medien und den Politikern wird er wie ein Aussätziger behandelt. Das bedeutet, dass die (ver)öffentlichte Meinung nicht die Meinung der Bevölkerung wiederspiegelt, und das ist es, was uns in unserem eigenem Land zu Fremden macht, nicht unsere wie-auch-immer-stämmigen Mitbürger.

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